Sag, wie hältst Du‘s mit dem "C"?
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Er gehe in der Migrationsfrage "all in" hatte CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz gesagt und damit sein riskantes Manöver mit einem Pokerspiel assoziiert. Ob sein Kalkül, sich in der Migrationspolitik als rechter Hardliner zu profilieren, um den Rechtsextremen Stimmen abzujagen, am Ende aufgeht, scheint fraglich, aber nicht unmöglich. Dass er dabei aber Parteifreunde, Bundesgenossen und Wohlmeinende mehr als nötig vor den Kopf stößt, könnte sich am Ende als fatal rausstellen.
Kritik der Kirchen
Mit einem ungewöhnlich scharf formulierten Brief entlarvten die beiden christlichen Kirchen den Populismus, der in Merz‘ Vorgehen steckte: "Die beiden großen Kirchen weisen hiermit darauf hin, dass die nun vorgeschlagenen Gesetzesänderungen nach aktuellem Wissensstand keinen der Anschläge verhindert hätten." Die Stellungnahme der kirchlichen Vertretungen auf Bundesebene kritisiert Behördendefizite und einen "eklatanten Mangel" an adäquater Versorgung psychisch Kranker". Sie spricht sich dafür aus, den Familiennachzug auch zu subsidiär Schutzberechtigten weiterhin zuzulassen. Der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie gelte für alle Menschen und nicht nur für Deutsche.
Dass dieses Schreiben seinerseits partiellen innerkirchlichen Widerspruch hervorrief, soll nicht unerwähnt bleiben. Doch in weiten Teilen überwiegt im katholisch-kirchlichen Milieu inzwischen auch die Sorge, dass die Union auch mit Merz an der Spitze irgendwann die Rechtsextremen hoffähig macht und dabei bisherige Grundüberzeugungen auch der Kirche über Bord gehen.
Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) Irme Stetter-Karp kritisierte Merz unverhohlen: Der Kanzlerkandidat der Unionsparteien "verlässt wissentlich in der Frage des Asylrechts den Boden des Grundgesetzes und verletzt aus offenbar wahlkämpferischen Motivationen den Grundsatz der Menschenwürde, die für alle gilt", erklärte sie und verurteilte damit das Vorgehen des katholischen CDU-Politikers. Merz handle "innerhalb der Europäischen Union unsolidarisch und verletzt Europarecht. Das kann sich Deutschland in der aktuellen weltpolitischen Lage schlicht nicht leisten."
Der Riss in der sogenannten "Brandmauer" ist jedenfalls da, zudem musste sich Merz Wortbruch vorhalten lassen - ausgerechnet von Altkanzlerin Merkel. Dass sein Vorgehen ausstrahlt auf die Politik, die die CDU in den Kommunen im Osten unter schwierigsten Bedingungen betreiben muss, ist nicht von der Hand zu weisen.
Die frühere Nähe der Union zum christlich-katholischen Milieu scheint daher unter ihrem Vorsitzenden Friedrich Merz im aktuellen Bundestagswahlkampf zu schwinden, was auch katholisch-konservative Stimmen besorgt. "Es wird für Christen immer schwerer, die Merz‘sche CDU zu wählen", schreibt der Jesuit Stefan Kiechle, langjähriger Leiter der Deutschen Provinz der Jesuiten, auf "katholisch.de". "Wann kommt aus dem Inneren der CDU der Aufschrei gegen diese Entwicklung?", fragt er. "Oder ist die christliche Substanz in der CDU aufgebraucht?"
Unheilige Allianz aus CDU und AfD
Was die Frage aufwirft, ob die CDU inzwischen in Teilen das Weltbild der AfD übernommen hat, wenn sie zum Beispiel von Migrantenströmen spricht, aber auch wenn sie in der Sozialpolitik die Abschaffung des Bürgergeldes will.
In der Caritas werden die Merz-Manöver mit Sorge beobachtet. "Schutz- und Freiheitsrechte dürfen nicht auf dem Altar einer unheiligen Allianz aus CDU und AfD geopfert werden", warnte der Kölner Diözesan-Caritasdirektor Dr. Frank J. Hensel.
"Anstatt Migration als Bedrohung darzustellen, sollten wir die Diskussion auf Fakten basieren und Wege suchen, die Integration gemeinsam zu gestalten", forderte Stefanie Tegeler, Flüchtlingsbeauftragte des Bistums Münster und Leiterin des Bereichs Soziale Arbeit beim Diözesan-Caritasverband Münster. Die Verknüpfung von Flucht und Migration mit Sicherheitsbedenken und der Generalverdacht, der damit verbunden sei, führten zu einer unmenschlichen und ungerechtfertigten Stigmatisierung von Menschen mit Migrations- und Fluchtgeschichte, so Tegeler. "Viele dieser Menschen sind bereits seit Langem Teil unserer Gesellschaft, deren Zusammenhalt dadurch weiter geschwächt wird." Eine undifferenzierte und subjektiv emotionale Debatte werde die Grundprobleme der Gesellschaft nicht lösen. Tegeler verwies auch auf die Pflegeschulen der Caritas, in denen bis zu 75 Prozent der Schülerinnen und Schüler einen Migrationshintergrund haben. "Deutschland braucht sie!"
"Sündenbock-Politik"
"Der Messerangriff in Aschaffenburg hat mich und die Mitarbeitenden der Caritas im Bistum Essen zutiefst erschüttert. Wir verurteilen diese abscheuliche Tat und sprechen allen Opfern, Angehörigen, Freunden und Bekannten unser tief empfundenes Mitgefühl aus", sagt Stefanie Siebelhoff, Direktorin des Caritasverbandes für das Bistum Essen. Gleichzeitig appellierte auch sie an den CDU-Kanzlerkandidaten, sich nicht zum Steigbügelhalter für die AfD zu machen.
Caritasdirektorin Siebelhoff warnt davor, eine ganze Bevölkerungsgruppe unter Generalverdacht zu stellen: Die CDU schüre mit ihren Anträgen Ängste und Hass gegenüber Migrantinnen und Migranten in unserem Land. "Die Sündenbock-Politik macht Migrantinnen und Migranten für unsere wirtschaftlichen und sozialen Probleme verantwortlich, obwohl dies empirisch nicht belegt ist. Die Menschen, die zu uns kommen, sind nicht die Ursache für steigende Kriminalität oder eine Überlastung unserer Sozialsysteme."
Die Verwerfungen im Verhältnis von Union und katholischer Kirche zeigte sich zuletzt auch in Aus- und Rücktritten auf beiden Seiten.
Der langjährige Misereor-Geschäftsführer Thomas Antkowiak veröffentlichte auf Facebook sein Scheiben, mit dem er den Austritt aus der CDU erklärte - ausdrücklich unter Verweis auf die Abstimmung im Bundestag, mit der die Union "aus wahltaktischen Gründen den Konsens der demokratischen Kräfte" verlassen habe. Antkowiak war nach eigenen Angaben seit Jahrzehnten Mitglied der CDU.
Auf der anderen Seite hat die frühere CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer ihre Mitgliedschaft im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) beendet. Sie habe die Präsidentin informiert, dass sie mit sofortiger Wirkung all ihre Ämter und Funktionen in dem Laiendachverband, der sich als Vertretung der katholischen Zivilgesellschaft versteht, niederlege, bestätigte Kramp-Karrenbauer der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Aus ZdK-Kreisen erfuhr die KNA, dass Kramp-Karrenbauer ihren Rücktritt mit der Haltung des ZdK-Präsidiums zur aktuellen Migrationspolitik begründet habe. Sie sehe für eine weitere Mitarbeit keine Grundlage.