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Das Besondere an [U25] ist, dass die Beratung von speziell ausgebildeten Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 16 und 25, sogenannten Peer-Beratern, durchgeführt wird. Alle Peer-Berater und -Beraterinnen bei [U25] arbeiten ehrenamtlich und werden monatelang auf die Aufgabe vorbereitet, Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene in Krisen via Mail durch die Krise begleiten zu können.
Ann-Marie Bappert (24) und Ilayda Bostancieri (24) sind zwei von ihnen. "Als uns das Projekt in der Leiterrunde bei den Pfadfindern vorgestellt wurde, wollte ich sofort mitmachen, ich wollte helfen, wollte anderen zurückgeben, dass ich immer jemanden habe, mit dem ich sprechen kann", sagt Ann-Marie Bappert. Denn jeder Mensch brauche ein offenes Ohr.
Entstanden ist [U25], weil der Arbeitskreis Leben (AKL) in Freiburg 2001 darüber nachdachte, wie man jungen Menschen unter 25 Jahren, die die höchste Rate an Suizidversuchen aufweisen, erreichen könnte. Die Idee: dorthin gehen, wo sich die Jugendlichen aufhalten: ins Internet und in Schulen. Heute gibt es an zehn Orten in ganz Deutschland Teams, die U25-Beratung anbieten. "Viele Jugendliche trauen sich nicht in eine Face-to-Face-Beratung", berichtet Bostancieri. Eine Mail kann man einfach schnell schreiben.
Professionelle Begleitung
Es melden sich Jugendliche und junge Erwachsene von zwölf bis zu 25 Jahren mit ernsten und existenziellen Problemen: Personen mit Missbrauchserfahrungen jeglicher Art, Mobbing-Opfer, Borderline-Patienten, Betroffene von Essstörungen und von psychischen Krankheiten, andere mit Problemen an der Schule, an der Uni oder wegen Arbeitslosigkeit - oder ganz einfach junge Menschen ohne Freunde. Die Beratung und Begleitung sind meist erfolgreich. Manchmal schließt eine Therapie an, manchmal läuft der Mailkontakt auch einfach aus.
"Mein schlimmstes Erlebnis war ein Abschiedsbrief von einer Klientin, die, soweit wir wissen, sich dann auch später das Leben genommen hat", berichtet Bostancieri. Sie sei selbst schwer betroffen gewesen, aber die damalige Hauptamtliche habe sie gut begleitet. "Uns bleibt ja nichts anderes übrig, als die Entscheidung der Klientinnen und Klienten zu akzeptieren. Die Beratung ist komplett anonym."
Bappert hat ebenfalls eine professionelle Distanz entwickelt: "Das Wichtigste ist, dass es einen nicht so krass runterzieht", sagt sie über ihre eigenen Gefühle angesichts von Selbstmordgedanken und Krisen in den Mails, die sie erreichen. Man müsse dann versuchen, sich abzugrenzen.
Ist sie ein Gutmensch? "Ich würde sagen, das stimmt", schmunzelt sie, ohne irgendwie verlegen zu wirken. Der Begriff sei ja leider halt in der letzten Zeit negativ konnotiert, gerade weil er in der rechten Szene als Schimpfwort benutzt werde. "Ich finde aber, es ist nichts Schlimmes daran, ein Gutmensch zu sein, es ist eher etwas Gutes, ein Gutmensch zu sein - und deswegen finde ich es auch nicht schlimm, wenn ich so genannt werde", sagt sie selbstbewusst.
"Mich würde es stören, wenn mich ein Nazi Gutmensch nennt", wirft Bostancieri ein, "es kommt eigentlich immer darauf an, wie es gemeint ist und von wem es kommt."
"Ein Gutmensch ist ein Mensch, der Gutes tut. Punkt. In welcher Form auch immer."
Vom Ehrenamt zum Sozialberuf
Das Engagement bei [U25] hat bei Ann-Marie Bappert auch zu einer beruflichen Richtungsänderung geführt. Nach drei Jahren Studium von Englisch und Französisch war sie nicht mehr so richtig glücklich mit der Perspektive, Lehrerin zu werden. Durch die Fachbereichsleitung von [U25] wurde sie auf eine Kooperation zwischen dem Caritasverband Gelsenkirchen und der Fachhochschule Dortmund aufmerksam. Jetzt studiert sie genau wie Ilayda Bostancieri in einem dualen Studium Soziale Arbeit mit dem Schwerpunkt Armut und Flüchtlingsmigration, und beide absolvieren die Praxisphase beim Caritasverband. Und die Perspektive, das Gutmenschentum später beruflich zu machen? "Gut! Damit habe ich kein Problem!", sagt Bappert.