Digitalpakt für die Sozialwirtschaft gefordert
Über Armenhausdepressionen und Silicon-Valley-Visionen diskutierten (v. l.) Caritasdirektor Josef Lüttig, Astrid Neese (Agentur für Arbeit in Duisburg), Torsten Withake (Regionaldirektion Bundesagentur für Arbeit), Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck, Staatssekretär Nathanael Liminski und Melanie Wielens (Moderation).Nicole Cronauge
Es sei drängendes Ziel der Landespolitik, vielen Menschen in NRW zu ermöglichen, sich souverän im Internet zu bewegen und die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, so NRW-Staatssekretär Nathanael Liminski (CDU). Angesichts der ernüchternd kleinen Zahl in Armut lebender Menschen, die bislang von Digitalkonzepten erreicht worden seien, warnte Liminski davor, soziale Unterschiede aufgrund fehlender Medienkompetenz zu zementieren. Gerade das Ruhrgebiet als größter Ballungsraum Deutschlands sei sozial "leicht entflammbar".
Beim Ruhrgebietstag in der Katholischen Akademie "Die Wolfsburg" in Mülheim an der Ruhr attestierte Liminski der Caritas eine besondere Kompetenz, bei den unüberschaubaren Veränderungen, die die Digitalisierung der Gesellschaft mit sich bringe, die Menschen im Blick zu behalten. Doch wie kann die Verbindung von technologiegetriebener Veränderung und sozialer Arbeit gelingen? Die Essener Diözesan-Caritasdirektorin Sabine Depew forderte explizit einen Digitalpakt für die Sozialwirtschaft, um neben der produzierenden Wirtschaft auch in Kitas, Altenheimen, in den Stadtteilen und bei der Arbeit mit bildungsfernen Familien soziale Innovationen und digitale Teilhabe zu fördern und einen Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft zu leisten. Der Paderborner Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig schlug in die gleiche Kerbe, als er warnte, dass die Digitalisierung nicht erneut die zu Verlierern machen dürfe, die sowieso schon von sozialer Spaltung betroffen seien.
Essens Bischof Dr. Franz-Josef Overbeck nannte als Beitrag der Kirche neben der Caritas-Arbeit auch kirchliche Schulen als wichtige Orte, die man mit vereinten Kräften "durchdigitalisieren" müsse, um Schülern aus schwierigen Verhältnissen Lebenschancen zu ermöglichen. Darüber hinaus müsse man die ethischen Fragen rund um die Digitalisierung, ihre Chancen und Grenzen im Blick behalten, sagte Overbeck, der auch Sozialbischof ist.
Der Sozialwissenschaftler Prof. Stefan Sell wies darauf hin, dass das das Ruhrgebiet deutschlandweit immer noch als armutspolitische Problemregion Nummer eins gelte. Das Armutsrisiko in ganz NRW liege nach amtlichen Zahlen bei 17,2 Prozent, im Ruhrgebiet weit höher. Das Ruhrgebiet, das zum Ende von Kohle und Stahl mitten im Veränderungsprozess stehe, nannte Sell "ein wunderbares Experimentierfeld für neue Formen der Beschäftigungsförderung", und er schlug vor: "Ich würde heute nur noch Förderungen aufsetzen, in denen Beschäftigung mit digitaler Qualifizierung fest verbunden ist."
Der Kölner Diözesan-Caritasdirektor Frank Joh. Hensel versprach: "Die digitale Entwicklung kann ein großer Segen werden. Wir können Menschen schneller erreichen, wir können helfen, dass die Menschen nicht vereinsamen. Die Chancen überwiegen. Wir werden die Technik klug nutzen!"