Man darf sich mal etwas gönnen
Silvia Hahn, Schuldnerberaterin beim SKM KölnMarkus Harmann
"Ich mache Menschen stark, auch mal Nein zu sagen, wenn es darum geht, sich etwas zu kaufen." Das sagt Diplom-Sozialarbeiterin Silvia Hahn (47). Sie ist seit April 2007 Schuldnerberaterin beim Sozialdienst Katholischer Männer (SKM) Köln und hilft Frauen und Männern, denen die Schulden über den Kopf gewachsen sind - weil sie, wie Hahn es ausdrückt, zu oft Ja gesagt haben: zu Marken-Turnschuhen, einem größeren Fernseher, einem teuren Urlaub oder vielleicht sogar einem Haus, das sie sich eigentlich nicht leisten konnten.
Die Menschen, die Silvia Hahn oft verzweifelt um einen Beratungstermin bitten, sind meist am Boden. "Und trotzdem haben alle eine Chance", sagt Hahn, und es klingt überzeugend. "Ich glaube, dass jeder Mensch grundsätzlich die Fähigkeit hat, seine Probleme aus eigenem Antrieb zu lösen. Er braucht eben nur manchmal einen Anstoß, seine Einstellungen und Gewohnheiten zu ändern", erklärt die Schuldner-beraterin, die im Kölner Mauritiusviertel arbeitet. An der Wand ihres Büros hängen Bilder in kräftigen Farben. Blau, Rot, Gelb. Sie passen zum Kleid in sattem Grün, das die gebürtige Eitorferin trägt. Silvia Hahn ist offen und direkt, sie lacht viel und wirkt resolut. Man kann sich gut vorstellen, dass sie es schafft, einem verzagten Schuldner, der mit gesenktem Kopf vor ihr am Tisch sitzt, schnell das Gefühl zu geben: Das Geld ist zwar weg, aber es ist längst nicht alles verloren.
Häufig überrascht sie ihre Klienten mit der Aufforderung, sich doch mal wieder etwas zu gönnen. Nichts Teures, nichts Großes, aber doch etwas Schönes und Persönliches. Die Verzweifelten vor ihr sind meist sprachlos. Eine Schuldnerberaterin, die auch mal zum Geldausgeben animiert? "Jeder braucht das Gefühl, sich gelegentlich etwas leisten oder gönnen zu können", sagt Hahn. "Erst das sichert die Teilhabe an der Gesellschaft." Entscheidend sei natürlich, die Kontrolle über sein Geld zu behalten.
Sie selbst führt über jede ihrer Ausgaben Buch. Sogar die Kosten für Eis oder Blumen - beides gönnt sie sich gelegentlich - werden auf einem Zettel vermerkt, den sie in ihrem Portemonnaie trägt. "Das habe ich immer schon so gemacht. Und das rate ich auch allen Schuldnern, die zu mir kommen." Sie ist damit über all die Jahre gut gefahren. Briefe, in denen ihr Menschen überschwänglich danken, die wieder schuldenfrei sind, bestätigen sie in ihrer Strategie. Und in ihrem Entschluss, den sie vor 23 Jahren fasste, als sie ihren sicheren Job als Bankkauffrau Hals über Kopf kündigte. "Ich wusste, wie Banken manchmal arbeiten, wie schnell sie Kunden eine Geldanlage aufschwatzen. Ich wollte das einfach nicht mehr."
"In der sozialen Arbeit wird man nicht reich, aber glücklich"
Silvia Hahn studierte zunächst Sozialarbeit, qualifizierte sich später außerdem zur Supervisorin und zum Coach. Sie verzichtete auf das Geld, das sie bei der Bank hätte verdienen können, und hatte trotzdem ein gutes Gefühl: "Ich war sicher, das Richtige zu tun." Nach dem Studium baute sie eine Schuldnerberatung in Erftstadt auf. Ein konsequenter Schritt. Als Bankkauffrau hatte sie das nötige betriebswirtschaftliche Wissen, als Sozialarbeiterin die Fähigkeit, mit Menschen in Notlagen zu arbeiten. Es passte. "In der sozialen Arbeit wird man nicht reich, aber glücklich", sagt Hahn.
Und das Geld reicht, um sich gelegentlich etwas zu leisten. In der Urlaubszeit zum Beispiel. Dann reist sie manchmal weit, bis in den Oman oder nach Borneo. Dort steigt sie in eine Taucherkluft, gleitet hinab in die Tiefen des Ozeans und tankt neue Energie für ihre Arbeit als Schuldnerberaterin.